Schaffenspause wegen dem Dicken und der Blonden

Ich hatte eine Schaffenskrise. Eine Freundin von mir schreibt ja über Schaffensfreude, und Dorian hörte "Schadenfreude", worauf er sie gleich nicht mehr so gut leiden konnte. Bis das Mißverständnis aufgeklärt wurde und sie wieder Freunde wurden. Und sie jetzt mit Schaffensfreude große Erfolge feiert und glücklich ist.
Das Glück. Ich hab's studiert. Ich mache alles richtig. Aber die Projekte und Partner, die ich an Land ziehe, bringen mir Unglück. Die tollen Partner und Projekte bekommen immer die kleine Blonde mit der Stupsnase oder der Dicke mit der Glatze. Immer. Christian sagt, den kennt er. Dem hängt meist ein Hemdszipfel aus der Hose, und das Hemd spannt über den dicken Bauch. Der redet viel Unsinn, aber diesen erzählt er laut und mit herrischer Pose. (ich muss das Buch von Amy Cuddy lesen....). Offenbar nehmen die Blonde und der Dicke überall vernünftigen Menschen die guten Projekte weg. Wobei..... wenn die die Projekte übernehmen, sind das keine guten mehr.....

Mein Dicker ist auch laut, und auch er nimmt herrische Posen ein. Die kleine Blonde mit der Stupsnase repetiert, was die Repetierer ihr in der Vorlesung vor-repetieren, und re-repetiert das repetiert Gelernte bei der Akquise, und schon hat sie den Kunden.

Ich hingegen sage dem Kunden, dass es nicht einfach ist, selbst zu denken, und Veränderungen ihre Zeit brauchen, aber dass mit etwas Zuversicht und gemeinsamer Arbeit ein paar Schritte ganz gut gemacht werden können. Pah, nach einer Tasse Kaffee werde ich freundlich hinausgeleitet, wo schon die Blonde und der Dicke warten, die den Leuten erzählen, dass Change super erfolgreich sein kann, wenn man es nur mit ihnen macht. Dass Erfolg machbar ist. Dass man an sich glauben muss. Dass man seine Stärken kennen muss. Und dass sie die sowieso kennen würden und den Kunden dabei helfen können, die auch zu erkennen.

Und ich? Ändere mich nicht.

Will ich so sein wie die?

Nein.

 

 

 

Krokodile würden auch gerne Birkin-Bag tragen

Jane Birkin hat mal die Birkin-Tasche erfunden. Und Hermès hat die  Birkin-Tasche hergestellt. Ab 6000 Euro und verbunden mit jahrelangen Warteschleifen kann heute jede Normalfrau eine Birkin-Bag erwerben. Nun beklagt aber Jane, dass für die Bag Krokodile geschlachtet werden, also nicht dass für Krokodilledertaschen Krokodile geschlachtet werden müssen, sondern dass die Krokodile in Fabriken grausam geschlachtet werden. Die Krokodile sollen einfach nur so geschlachtet werden, damit Frauen auch weiterhin Birkin-Taschen schwenken und aufdringlichen Männern um den Kopf schlagen können.

Bleibt zu hoffen, dass  die Krokodile auch weiterhin kapieren, dass die Birkin-Bag aus ihnen gefertigt wird, und nicht aus Jane Birkin.

Besuch bei den Besorgten

Am Wochenende fuhren wir nach Thüringen zur Familie das Gatten. Warum in den Osten, wenn der doch aus dem Saarland kommt? Weil Honecker die DDR nach saarländischem Vorbild aufgebaut hat, fühlen sich Saarländer dort so wohl. Die Verwandte zog also in den Osten und hat sich ihr Leben mit den Einheimischen aufgebaut.

Bevor die Fete startete, saß ich draußen mit zwei Thüringern, die sich Videos mit Flüchtlingswitzen zeigten. Was? Ja! Mir zeigte einer ein Foto von einem kleinen blonden Kind, das von dunklen Menschen umringt wird, mit dem Kommentar, dass es "so in 30 Jahren bei uns aussehen wird". Danach fügte der Besorgte noch hinzu "Aber heute muss man ja schon sehr vorsichtig sein, wenn man sowas sagt", und nickte mir verständnisheischend zu. Ich versank derweil im ostdeutschen Boden, während der Mann im Garten spazieren ging. Das habe ich davon, dass ich Spaziergänge nicht leiden kann…

Danach Fete. Normalerweise wäre der nachfolgende Ehestreit so abgelaufen: Ich: Deine Verwandte hört die beschissenste Musik seit Erfindung der Menschheit" - Er: Das sagst du nur, weil du meine Familie nicht magst" - Ich: "Das sage ich vor allem, weil ich Musik mag!" - Er: " Ich mag es nicht, wenn du dich distanzierst"- Ich: "Vor schlechtem Geschmack Distanz zu wahren, ist Staatsbürgerpflicht, insbesondere bei schlechter 80er Jahre Musik (I will survive und dergleichen, ihr wisst schon, Schunkelmukke für die ewig Mittelmäßigen).- usw.

Aber zu dieser Art von After-Party-Streit kam es diesmal gar nicht, weil nämlich die Thüringer, statt Würstchen zu servieren, ihren Humor losließen. Es trat auf: Der Hofnarr, ein ostdeutscher "Kabarettist", der von Menschen mit dunkler Hautfarbe sprach, die man aber nicht mehr N.... nennen dürfe, und das sei ganz besonders arg, dass man die nicht mehr N... nennen dürfe. Erst neulich sei er, der besorgte Kabarettist, in einer Kantine gewesen, wo so ein.... hiihihihii, der Saal kochte inzwischen,... N.... ihn bedient hätte, mit dicken Lippen, wie eben die N.... aussähen... hohoho, hihihi, und überhaupt, früher hießen unsere Fußballer Beckenbauer, Breitner und heute alles Ausländer. Halt. Unsere Fußballer? Beckenbauer war doch in den 70ern für die Ostgoten Ausländer, also ein Vertreter der Spezies, die er in seinem "Kabarettstückchen" verunglimpfen wollte. Wozu hatten wir denn die Mauer? Haben die das vergessen? Ich verstand ihn nicht, aber die Zuschauer patschten mit den Händen. Ich machte gute Miene und trank ein Bier. Sah mich im Saal um: Alles weiße Thüringer. Kein arabisch aussehender oder gar N… zu sehen. Warum ich mich darüber gar nicht mehr wunderte, weiß ich jetzt auch nicht mehr.

Dann Diskussion: Sind bei euch auch so viele Flüchtlinge? Ja, es ist besorgniserregend. Ja, wir haben auch Sorge, die nehmen uns unsere Sporthallen weg. Und das sind doch alles junge, sexuell aufgeladene Männer!, schreit eine nicht mehr ganz junge Frau (wer weiß, was alles die sich in einsamen Momenten mit jungen, sexuell aufgeladenen Männern vorstellt), die greifen auf unsere Töchter zu und dann war’s das, die Töchter, platsch, futsch, sexuell und so, ihr wisst schon. Nach außen lächelte ich wissend. Mein Inneres wollte einräumen, dass die Töchter durch die Flüchtlinge eine bessere Chance auf einen gebildeten Mann erhielten, hielt mich aber des Haussegens wegen zurück. Ich hörte mir noch eine Weile die Sorgen der Besorgten an, und trottete dann mit dem Mann zurück ins Hotel.

Auf der Rückfahrt herrschte betontes Schweigen. Kein Gespräch über schlechten Musikgeschmack, keine Lust zu streiten. „Aber sie waren immerhin recht nett“, versuchte er es. Ich brachte an der Stelle nicht mein übliches „Hitler war auch nett – zu seinen Schäferhunden“, sondern lächelte schweigend und drückte auf „play“, so konnten wir während der Rückfahrt endlich die neue Libertines hören. Die hörten wir gleich ein zweites Mal und ein drittes, und die ist echt gut. Während unserer Zeit bei den Besorgten hat sich die Band offenbar vom „medical reason“ erholt und trat in Berlin auf dem Lollapalooza Festival auf. Nächstes Mal gehe ich dahin.

 

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